Die ersten Schützenvereine – damals Schützengesellschaften genannt – entstanden im Mittelalter in den Städten. Sie bildeten zur damaligen Zeit Wehr- und Notgemeinschaften zum Schutz der Heimat und zur Abwehr äußerer Feinde. Nicht selten mussten sich die Städte gegen Übergriffe des Adels und der Fürsten schützen. Deshalb fanden sich die Bürger in festen Korporationen zusammen und übten sich regelmäßig im Schießen mit der Armbrust, um im Ernstfall ihre Stadt verteidigen zu können. In der Folgezeit entwickelten sich aus diesen Korporationen Schützenvereine, die das Schießen als Sport betrieben. Die Städte förderten und unterstützten dieses Schützenwesen, wo sie nur konnten. Sie sorgten häufig für die Kleidung (Uniformteile), stellten geeignetes Übungsgelände zur Verfügung und verliehen an den besten Schützen (Schützenkönig) besondere Vorrechte. Auch stifteten sie zu den jährlichen Schützenfesten Bier, Getreide und Geldbeträge.
Schützenfeste wurden gewöhnlich im Monat Mai auf dem Schützenanger veranstaltet. Sie entwickelten sich bald zu echten Volksfesten und bildeten den geselligen Höhepunkt des Jahres. Schon damals wurde auf einen Vogel geschossen, wenn man auch annehmen muss, dass erst im 17. und 18. Jahrhundert dieser Holzvogel dem preußischen Adler nachgebildet wurde und vordem eher wie ein Papagei aussah. Im Südkamener Schützenverein wurde in den Anfangsjahren allerdings nach der Scheibe geschossen und somit der beste Schütze zum König erklärt. Das ist in den alten Satzungen aus dem Jahre 1845 nachzulesen. 1864 ging man von diesem Brauch erstmals ab und führte das Vogelschießen ein.
Die ältesten Schützenvereine sind in Belgien (Brüssel 1213), den Niederlanden und Nordfrankreich nachweisbar, wohingegen die deutschen Schützengesellschaften im 14. Jahrhundert entstanden. Ihr Aufbau entsprach dem der Zünfte. Als Napoleon Europa überrannte und auch in unserem Westfalen die Regierung straff nach seinen Vorstellungen ordnete, bedeutete dies das Ende der alten Schützengilden. Erst nach den Befreiungskriegen (1813 – 1815) besannen sich viele auf die eigene Vergangenheit, und es entstanden wiederum Schützenvereine. Sie waren zunächst vielfach Träger der nationalen und liberalen Bewegung, betätigten sich dann aber mehr und mehr als gesellige Vereinigungen, welche die Tradition des Vogelschießens und den Schießsport allgemein pflegten. Zum Ziel hatten sie sich gesetzt, Freude und Fröhlichkeit, vor allem aber den Gemeinsinn zu fördern.
Der Südkamener Schützenverein wurde im Jahre 1830 ins Leben gerufen.
Auch heute erfüllt der Schützenverein in der Dorf- bzw. Ortsgemeinschaft wichtige Aufgaben. Einmal bietet er Schießsport begeisterten Jugendlichen und Erwachsenen die Möglichkeit, ihren Sport auszuüben, ihr Können und ihre Geschicklichkeit zu verbessern und ihre Kräfte mit anderen Schießgruppen im Wettkampf zu messen. Darüber hinaus aber geht es den Schützen um die Pflege heimatlichen Brauchtums und um das Planen und Durchführen von geselligen Festen, die den Kontakt der Bevölkerung untereinander herstellen und verstärken sollen.
Schauen wir einmal auf unseren Stadtteil Südkamen / Kamen-Süd. Durch die rege Bautätigkeit in den zurückliegenden 35 Jahren hat sich die besiedelte Fläche enorm vergrößert und die Einwohnerzahl vervielfacht. Die dörfliche Überschaubarkeit früherer Jahre, als jeder noch jeden kannte, ist dahin. Viele Neubürger des Wohnparks Südkamen oder des Neubaugebietes „Schöner Fleck“ kennen einander weder von Ansehen noch mit Namen. Schützenfeste bieten da eine gute Gelegenheit, aus der Isolation herauszukommen, neue Bekanntschaften zu schließen und in der neuen Umgebung heimischer zu werden.
An dieser Stelle muss unbedingt auf eine Besonderheit Südkamener Schützenfeste hingewiesen werden, die anderswo wohl kaum anzutreffen ist. Seit dem Jahre 1883 gibt es hier am Montag nach der Königsproklamation den Bummelzug mit anschließendem Dorfabend. Die Schützen ziehen unter Musikbegleitung durch die Straßen des Ortes und sammeln Eier, Wurst, Speck und Schinken ein. So kann der Dorfabend mit einem schmackhaften Rühreieressen beginnen, zu dem alle Bewohner, ob Mitglieder im Schützenverein oder nicht, eingeladen und herzlich willkommen sind. Nach solcher Stärkung findet man sich zu gemütlichem Plausch oder auch zum Schwingen des Tanzbeins zusammen.
Die alte Vereinschronik berichtet dazu: „Das Jahr 1883 hat insofern eine besondere Bedeutung, als es als Gründungsjahr des auch heute noch bekannten und beliebten Bummelzuges angesehen werden kann. Wie bereits erwähnt, hatte die Polizei nur zwei Tage als Festtage erwählt. Man wusste sich jedoch zu helfen. Nachdem das Bataillon entlassen war, einigte man sich auf den Bummelzug, der ohne Erlaubnis der Polizei stattfand, für den aber auch keine Lustbarkeitssteuer bezahlt zu werden brauchte. Alt und jung beteiligte sich. Man zog von Haus zu Haus, sammelte Würste, Eier, Schinken, Speck und ähnliche schöne Sachen mehr, die an die Festleitung abgeliefert wurden. Über den Verbleib derselben liegt nichts Schriftliches vor“, sagt die Chronik.
Aus dieser alten Niederschrift erklärt es sich, dass auch heute noch beim Bummelzug der Schützenrock ausgezogen und vielfach eine Verkleidung gewählt wird; denn der erste Bummelzug war ja polizeilich nicht genehmigt.
Die Gruppe der aktivsten Mitglieder des Schützenvereins bilden zweifellos die Offiziere. Sie sind es auch, die durch ihre Uniform und ihre Teilnahme am Vogelschießen und bei Ausmärschen den Verein sichtbar repräsentieren. Ohne das Offizierskorps wäre jeder Schützenverein undenkbar.
Nun stoßen sich manche Zeitgenossen an dem paramilitärischen Gehabe durch Uniformen, Kommandos, Orden, Rangstufen usw. Zur Erklärung muss noch einmal auf den Ursprung der Schützenvereine verwiesen werden. Im Mittelalter stellten die Schützengesellschaften so eine Art Schutz- und Ordnungstruppe der Städte dar, die aus Gründen der Zweckmäßigkeit wie Soldaten straff organisiert waren. Nicht umsonst unterstützten die Städte das Schützenwesen, hatten sie doch den Nutzen davon. Auch waren sie sicherlich zu Recht stolz auf eine prächtige und wirkungsvolle Bürgerwehr. Heute gehören Uniform, Orden, Ehrenzeichen und Königskette zur Pflege solcher ehrwürdigen Tradition. Kein Oberst dünkt sich mehr als ein Fähnrich, sie fühlen sich beide als Schützenbrüder und agieren zum Wohle des Gesamtvereins.
Insbesondere halten die Offiziere auch den Kontakt zu den Nachbarvereinen aufrecht. Sie besuchen deren Schützenfeste und laden zu den eigenen Veranstaltungen ein. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag, um die einzelnen Ortsteile unserer Stadt enger aneinander zu knüpfen.
Viele Hände können viel bewirken, nur viele Schultern können viel tragen. Es wäre schön, wenn immer mehr und vor allem auch jüngere Mitbürger ihren Weg in den Schützenverein und in das Offizierskorps finden würden.